Obwohl es regionale Unterschiede gibt, ist rund ein Fünftel aller Kinder von atopischer Dermatitis betroffen. Generell wird die Häufigkeit der Hauterkrankung bei den Kindern zwischen 8-20% angegeben. Ein Ausreißer ist Israel, wo nur 2,7% der Bevölkerung betroffen sind. Es gibt keinen Unterschied in der Geschlechterverteilung, Buben und Mädchen sind gleich häufig befallen.
Psychische Belastung wird unterschätzt.
Dennoch ist die Krankheitslast groß. Gerade Kinder sind großen psychischen Belastungen ausgesetzt. Dr. Bangert: „Über die Hälfte der erkrankten Kinder ist wegen ihrer Hautkrankheit unglücklich oder depressiv und sie sind schulischem Mobbing und Hänseleien durch andere exponiert. Über 50% leiden an vermindertem Selbstbewusstsein und sind besorgt, wie man sie von außen wahrnimmt. 10% fallen durch häufige schulische Fehlzeiten auf. Bei schwerer atopischer Dermatitis kommt es laut einer Studie zu 7 Fehltagen im Monat, bei einer milden Verlaufsform sind es „nur“ 4 Fehltage monatlich. Auch Eltern sind in ihrer Berufsausübung durch die Krankheit ihrer Kinder belastet, über 70% der Eltern von Kindern mit schwerer atopischer Dermatitis bleiben regelmäßig ihrer Arbeit fern.
Lebensqualität der gesamten Familie leidet
Die Lebensqualität wird vor allem durch den intensiven Juckreiz bei der Neurodermitis stark beeinflusst. Die Kinder können nachts nicht durchschlafen, sondern wachen durch die juckenden Hautstellen auf, müssen sich kratzen, was den Juckreiz weiter verschärft. Konzentrationsstörungen, Beeinträchtigungen im Alltag sind an der Tagesordnung. Auch das unbeschwerte Spielen mit Freunden ist oft durch die schmerzhaften Veränderungen der Haut getrübt, erklärt die Expertin. Dabei stellt sich die Frage, ob die psychischen Belastungen nur vorübergehende Phänomene sind oder die Kinder eventuell schon an manifesten Depressionen und Angststörungen leiden. In einer Metaanalyse, die 24 Studien einschloss, wurden Depression, Angststörungen und suizidales Verhalten untersucht. Darin zeigte sich, dass Kinder mit atopischer Dermatitis häufiger an Depressionen leiden, so ist das Depressionsrisiko um 30% erhöht und Angsterkrankungen sind um das Vierfache erhöht. Laut Dr. Bangert sollte gegebenenfalls psychologische Betreuung in Anspruch genommen werden.
„Atopischer Marsch“
Darunter versteht man in Fachkreisen das Auftreten des entzündlichen Ekzems in der frühen Kindheit, später folgt zusätzlich vielleicht eine Nahrungsmittelallergie, ein allergisches Asthma, ein Heuschnupfen oder chronische Nasenpolypen. All diese Erkrankungen eint eine Typ-2-Inflammation, sagt Dr. Bangert. In einer Umfrage an 7000 Kindern hatten über 90% neben der Hauterkrankung noch eine andere allergische Begleiterkrankung. Allen zugrunde liegt die Typ-2-Inflammation, ausgelöst durch die Botenstoffe IL-4 und IL-13, wodurch es in der Haut, in der Nase oder in der Lunge zu entzündlichen Vorgängen kommt. Neben dem erworbenen spiele auch das angeborene Immunsystem Rolle, so die Hautärztin. Sehr belastend ist der Juckreiz, der durch das Juckreiz-Interleukin IL-31 massiv gefördert wird. Die Reihenfolge des Auftretens der entzündlichen Krankheiten kann sich im Laufe des Lebens auch ändern oder alle Begleiterkrankungen können gleichzeitig auftreten.
Kreislauf durchbrechen
Die gestörte Hautbarriere, das erleichterte Eindringen von Allergenen und Mikroben in die Haut, sowie die chronische Entzündung, die sich weiter und weiter potenzieren, halten den Kreislauf der Entzündungen aufrecht und resultieren schließlich in flächenhaft lederartigen Veränderung der Haut, Juckreiz und zunehmender Vergröberung der Hautstruktur, genannt „Lichenifikation“, die das Leben des Patienten erschweren.
Gute Behandlungsmöglichkeiten
Doch es gibt eine positive Nachricht: man kann heute zielgerichtet therapieren. Für die schweren und mittelschweren Formen der atopischen Dermatitis stehen heute für die zentrale Hemmung der Entzündung bei Erwachsenen mehrere Wirkstoffe zur Verfügung, seit 2020 auch ein Wirkstoff für Kinder ab dem 6. Lebensjahr. Alle haben eine sehr gute Wirkung und sind gut verträglich. Eine stabile Verbesserung der Haut von 75-90% und eine deutliche Besserung des Juckreizes sind das erfreuliche Ergebnis. Auch die psychischen Beeinträchtigungen konnten gebessert werden: Verbesserung von Schlaf, Lebensqualität und Depressionen war nach 16 Wochen deutlich erkennbar. „Weitere Medikamente sind in der Pipeline und werden für Kinder bald zur Verfügung stehen. Die neue Therapie deckt einen wirklichen klinischen Bedarf ab, für die wir bisher keine Behandlungsoptionen hatten“, so die Expertin abschließend.
OÄ Dr. Christine Bangert
cc: Privat
Bericht: Dr. Christine Dominkus