Chronischer Juckreiz, der länger als 6 Wochen andauert, kann zu Schlafstörungen, Stress und Depressionen führen. Abgesehen davon, dass die betroffenen Hautstellen nicht heilen können, ist eine seelische Beeinträchtigung mit dem Dauerjucken verbunden. Wenn immer möglich, sollte der Ursache des Juckreizes auf den Grund gegangen werden. Eine kühlende Salbe aufzutragen ist zwar kurzfristig lindernd, kann aber nur das Symptom erleichtern, nicht aber die Ursache bekämpfen.
Erfinderisch
Als Ablenkung werden den Betroffenen bei starkem Juckreiz auch gerne Anti-Stress-Bälle in der Größe eines Tennisballes zum Drücken oder Anti-Kratz-Klötze zum Selberbasteln empfohlen. Sie verschaffen Erleichterung und sind vor allem für Kinder als Ablenkung recht hilfreich. Man weiß heute, dass allein die Vorstellung des Kratzvorganges bereits eine gewisse Entlastung verschaffen kann und das Jucken sich bessert. So wurde Kindern mit atopischer Dermatitis beigebracht, beim Verlangen, sich zu kratzen, zunächst für 30 Sekunden die Fäuste zu ballen und anschließend einen Fingernagel in die juckende Hautstelle zu drücken, aber nicht zu kratzen. Nach einigen Wochen hatte sich das Kratzen deutlich verbessert.
Vielsagend
Kratzmuster sind für den Hautarzt oft ein erster Hinweis, um welche Erkrankung es sich handeln könnte. Aufgrund des Kratzmusters kann oft schon die Diagnose erleichtert werden. So kratzt sich beispielsweise ein Patient mit Nesselsucht kaum je blutig.
Never ending storys mögen wir nur bei Netflix
Wird eine juckende Stelle angenehm gekratzt, dann werden bestimmte Fasern aktiviert und diese regen wiederum Nervenzellen im Zentralnervensystem an, welche ihrerseits die Juckreizfasern hemmen. Der Juckreiz bessert sich. Das Verlangen zu Kratzen wird schwächer. Gleichzeitig wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert, sodass Juckreiz durchaus ein angenehmes Gefühl („pleasantness of scratching“) induzieren kann. Wird nun weitergekratzt bis das Kratzen schmerzhaft ist, werden zusätzlich Fasern aktiviert, welche den Juckreiz durch Schmerz vorübergehend neutralisieren. Dieses Zusammenspiel aus kratzbedingter Juckreizlinderung und Aktivierung des Belohnungssystems befeuert den Kratz-Juckreiz-Zyklus, und es wird eine never ending story daraus.
Was den Juckreiz verschlimmert
Wärme verschlechtert bekanntlich den Juckreiz. Nicht umsonst ist der Juckreiz im warmen Bett oft unerträglich. Es klingt paradox, aber auch mit schmerzhafter Hitze kann man den quälenden Juckreiz stillen. Der hier zugrunde liegende Mechanismus ist dem des schmerzhaften Kratzens ähnlich: Hitze ist nur dann Juckreizlindernd, wenn sie schmerzhaft ist.
Problem an der Wurzel anpacken
Symptomatische Therapieansätze gibt es einige. Dazu zählen die Akupunktur, das Auftragen kühlender Gels oder Zusätze in Cremen wie Menthol, die aber nur kurzfristig lindernd wirken. Cool packs wiederum dürfen nur kurzfristig und nie direkt auf die Haut appliziert werden, weil es sonst zu Erfrierungen kommen kann. Auch die Phototherapie ist aufgrund ihrer Antijuckreiz-Wirkung fest in der Dermatologie verankert, obgleich sie angesichts der modernen Therapieoptionen mit Biologika ihren Stellenwert teilweise verloren hat. Neueste innovative Therapien, zum Beispiel bei atopischer Dermatitis und Psoriasis, haben nämlich eindeutig belegen können, dass sie neben der Verbesserung der entzündlichen Hauterscheinungen auch das Symptom Juckreiz deutlich vermindern können. Eine gute Nachricht!
Beitrag: Dr. Christine Dominkus